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Landespreis Portugal 2022

Berichte von euren Reisen und Abenteuer beim Pässe knacken
2021 im April wollte ich die Passknacker Landespreise für Spanien und Portugal machen. Es gab wegen der Corona-Pandemie drastische Einschränkungen der Bewegungsfreiheit in Frankreich und Spanien, aber glücklicherweise nur für Einheimische (Spanien), und Transit war gerade noch erlaubt (Frankreich). Die Spanienreise in zwei Etappen zu je drei Wochen, also mit einer Unterbrechung per Flieger, hat geklappt und war die bisher epischste Tour meines Lebens. Portugal hätte mich leider im April gar nicht reingelassen und im Juni wäre eine Region für Touristen gesperrt gewesen, die ich für den Landespreis gebraucht hätte - das wurde also nichts.

Im Februar 2022 tritt Corona nun langsam in den Hintergrund. Dafür marschiert Russland in der Ukraine ein. Das hebt nicht gerade die Stimmung, aber wann, wenn nicht jetzt, braucht man Urlaub? Außerdem ist man auf dem europäischen Festland nirgends weiter vom jetzt besetzen Unfall-AKW Chernobyl entfernt als in Portugal...

Reisen ist einfacher als letztes Jahr. Man braucht nicht mehr an jedem Grenzübergang einen Covid-Test (wenn man geimpft ist), was die Planung erheblich vereinfacht. 2021 waren die Tests teuer, zeitraubend und schwer zu finden.

Meine Kunden lassen sich viel Zeit mit ihrer Planung, und so erfahre ich erst zwei Wochen vorher, wann ich die 2 Wochen Resturlaub aus 2021 nutzen kann: Im März 2022. Da ist es in Portugal frostfrei. Ich möchte mit der Yamaha MT-09 fahren. Die fühlt sich sehr wohl auf südeuropäischem Asphalt. Der 14 Liter-Tank hat mir letztes Jahr den letzten Nerv geraubt, bzw. der Lackierer, der meinen Umbau um Wochen und Monate verzögert hat, aber jetzt ist der 18 Liter-Tank drauf und erprobt. An weiteren technischen Änderungen gibt es robustere Griffschalen, eine Sitzbank mit Heizung und einen formschönen und soliden, aber schweren Original Yamaha Gepäckträger. Außerdem einen frischen Satz Conti Road Attack 3. Der Michelin Road 5 GT vom französischen Yamaha-Händler des Grauens landet auf dem Müll bzw. in Kleinanzeigen.

Zur Planung:
Die Anreise nach Portugal ist nicht ohne. Von Nürnberg zum Einstiegspunkt habe ich 2000 km. Machen wir uns nichts vor: Es gibt dafür keine Lösung ohne Kompromiss. Motorradtransport per Spedition und Flug erzeugt Abstimmungsaufwand und kostet auch wieder einen Tag je Strecke. Fliegen und mieten ist kaum teurer als Transport, führt aber nicht zum persönlichen Wunschmotorrad gerade hinsichtlich Zubehör und Reifen. Einen sinnvollen Autoreisezug gibt es nicht mehr; Paris-Narbonne hilft wenig und schafft neue Probleme. Fähren gibt es nur Genua-Barcelona, und von England nach Santander oder Bilbao - die lösen ein halbes Problem, und schaffen dafür zwei neue. Motorrad auf dem Anhänger oder im Transporter lohnt sich finanziell erst zu zweit und schafft Stellplatzprobleme daheim und am Abladeort. Transporter mieten inkl. allem ist noch mal teurer.

Also bleibe ich einfach flexibel und spontan und fahre da auf Achse runter. Auch wenn es 2000 km sind. Damit es nicht ganz so öde ist, und für mein persönliches Passknacker Lebenswerk (an jedem Punkt einmal gewesen sein), fahre ich einmal am Tag von der Autobahn runter. Dafür habe ich drei Tage geplant, möglicherweise mit einem Vorabend dazu, also eher straff.
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Der Hinweg erfolgt weitgehend direkt, für den Rückweg habe ich mir aber schöne Strecken rausgesucht. So habe ich noch Zeit und hoffentlich auch Reifenprofil übrig, wenn ich mit Portugal fertig bin, denn Portugal ist die Priorität. Für die Rundfahrt habe ich 7 Tage zu 400 km geplant, also eher entspannt.
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In Nordspanien hatte ich letztes Jahr im April viel Spaß und leider auch viel Nebel und Kälte. Dort wollte ich dringend nochmal hin. Es ist zwar schon recht optimistisch, es im März zu probieren, aber planen kann man ja mal. 3 Tage wären hierfür nötig.
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Sollte es in Nordspanien zu nass oder kalt sein, überspringe ich das, was einen Tag Autobahn bedeutet. Weiter am Weg, nehme ich in den Pyrenäen am Rückweg die französische Westseite mit. Hier gibt's viele Pässe, wo ich noch nie war. 340 km, aber kleine Straßen und auch sehr früh im Jahr:
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Sollte ich danach noch Zeit haben, z.B. weil Nordspanien ins Wasser gefallen ist, treibe ich mich eben mehr in Südfrankreich rum.
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Und der Rest ist dann wieder Autobahn. Der Jura reizt mich nicht so, Vogesen und Schwarzwald kommen zu einem anderen Zeitpunkt. Insgesamt umfasst die Planung 8300 km in 16 Tagen. Der Vorderreifen wird wohl halten, und der Hinterreifen hält entweder, oder nicht. Sollte ich unterwegs wechseln müssen, baue ich das Rad dieses Mal selbst aus und ein.

Das Motorrad:

Meine Yamaha MT-09 sieht aktuell so aus:

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Ich beschränke mich beim Gepäck bewusst auf ein Topcase und den kleineren meiner beiden Tankrucksäcke. Die Hecktasche wird durch ein Packnetz ersetzt. Benzinkanister nehme ich keinen mehr mit, ich habe jetzt 340 km Reichweite dank des Tankumbaus (Tracer 900) und es ist kein Lockdown mehr :)
Fr 4.3.22 Nix wie weg

Heute war arbeiten bis 15 Uhr geplant, und danach aufs fertig bepackte Mopped hüpfen und beim restlichen Sonnenschein und 7 Grad möglichst weit kommen. Leider hatte ich die Rechnung ohne den 15-16 Uhr Termin gemacht - ich glaube aber ich habe es geschafft, dass keiner meine Hibbeligkeit mitbekommen hat :)

Also 1x alles angezogen, was ich an Klamotten mitnehmen wollte - im Vakuumbeutel sind quasi nur die Wechselsachen und die Badehose, und auf in den munteren Freitagfeierabendverkehr. Es geht die A6 nach Westen. Einen 20 minütigen Abstecher zur Waldenburg gönne ich mir - das habe ich letztes Jahr auch gemacht.

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Und damit ist dann auch mein erster Passknackerpunkt 2022 im Kasten - seit 1.3. darf wieder gesammelt werden. Es geht weiter nach Westen. Wie immer Stau bei Heilbronn, aber gar nicht so unerträglich wie sonst. Die Sitzheizung funktioniert so hervorragend, dass sie sogar auf der unteren Stufe auf Dauer zu warm ist. Die Heizgriffe helfen sehr, aber die rechte Griffschale könnte noch etwa höher. Dafür müssten auch Bremspumpe/-hebel und Spiegel höher, was auch nicht stören würde. Aber das ist ein Job für morgen früh. Die Heizweste nehme ich bei einer Autobahnpipipause hinzu - direkt an der USB-Bordsteckdose kann mich auch keine Powerbank ärgern. So geht's gut behütet in den Sonnenuntergang. Bei Karlsruhe wird noch getankt, 1,88 für E10 ist wohl eher günstig zur Zeit, aber hey: Laut meines Spritmonitor-Protokolls sind nur 18% meiner Fahrzeugkosten an der Yamaha Sprit.

Weiter die A5 runter geht's auf die B500, es ist Paris ausgeschildert - stellvertretend für ganz Frankreich, anscheinend. Rüber über den Rhein und dann noch 60 km weiter bis kurz vor Straßburg. Hier in der Dunkelheit, auf der leeren Autobahn, wird's dann doch langsam fad. Ich werde müde. 20 Uhr rolle ich beim vorgebuchten Hotel ein, der Checkin klappt wie am Schnürchen auf Französisch, Zimmer ist gut, Bad ist sogar modern. Ich gönne mir das Frühstück dazu, weil es morgen früh sehr kalt wird.

Das Abendessen gibt's heute nicht aus dem Supermarkt, sondern ich lasse mir Filet vom Hähnchen im Knusperteig servieren, dazu Zwiebelringe frittiert und typisch südeuropäisch Orangenlimonade. Also Burger King ;) Das sind 10 Minuten Fußweg jede Richtung, und das tut gerade gut. Mir war zwar nie richtig kalt heute, aber aus der warmen Dusche komme ich danach trotzdem nicht raus :)

Guter Einstieg in die Reise! 325 km heute, die ich mir morgen sparen kann.

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1 Passknackerpunkt
Noch 1730 km bis Portugal
Vmax 155
Passknacker Rangliste Platz 49 (von 52)
Sa 5.3.22 Mitten durch Frankreich

Die Nacht im Hotel war erholsam. Ich hatte Frühstück dazu gebucht und mir Zeit gelassen, da es um 7 Uhr früh -4° Grad hatte. Ich parke das Motorrad aber vor dem Frühstück um, so dass es in der Sonne steht und ich mich nicht auf die vereiste Sitzbank setzen muss. Dabei drehe ich gleich noch Bremspumpe und Griffschale höher.

Nach der Abreise folgt Autobahn, dann Autobahn, und danach noch etwas Autobahn. Das ist so fade, dass ich sogar die mautfreie Abkürzung Seurre-Crissey verpasst habe. Da hätte ich mir die A6 sparen können. Da ist richtig was los! Immerhin zum Tanken fahre noch noch geldsparend zum Intermaché ins nächstbeste Dorf. Danach verlasse ich die Nord-Süd-Autobahn und bewege mich autobahnfrei südwestlich. Immer noch größtenteils vierspurig, aber etwas ländlicher, was viel schöner zu fahren ist. Ich passiere die südlichen Ausläufer der Mittelgebirgslandschaft Morvan, die erstaunlich frei von Passknackerpunkten ist. Frankreich hat aber wirklich schon genug Passknackerpunkte. Diesen Landespreis zu fahren kann ich mir echt nicht vorstellen. Aber ich pflege mein Lebenswerk, also insgesamt will ich irgendwann mal an allen Passknackerpunkten in Frankreich gewesen sein. Es sind 895 Stück von der Nordsee bis zum Mittelmeer, von den Pyrenäen zu den Alpen zu den Vogesen zu den Ardennen, von allem dazwischen ganz zu schweigen.

Dafür habe ich heute 4 Punkte in der Region Auvergne in der Route. In der Auvergne sieht es wirklich so aus wie in Need for Speed 5 "Porsche" - und vor ein paar Jahren war ich hier auch schon mal 3 Nächte, weil es in den Pyrenäen mit dem Wetter gar nicht geklappt hat. Man kommt gut voran, es sind weite Radien, man muss keine Kehren fahren. Großstädte finde ich keine, es ist ein wenig Fernverkehr, aber nichts was einen Motorradfahrer in Frankreich aus der Ruhe bringen würde.

Nach der nächsten Tanke fahre ich zu Aldi und decke mich etwas ein - der kleine Hunger ist, und eine kleine Reserve zu haben wäre auch praktisch, wenn es mal abends oder morgens nichts gibt. Morgen ist Sonntag. Danach überlege ich: Es ist 15:30. Bald kommen die ersten Passknackerpunkte. Ab 17 Uhr wird's dunkel. Nehme ich die Punkte noch mit, oder suche ich mir vorher ein Hotel?

Da mich kein Hotel in der Nähe so richtig überzeugt, fahre ich lieber weiter. Juhu, meine ersten Passknacker in Frankreich dieses Jahr! Beim Fotografieren fällt auf, dass das Kabel der Heizweste etwas zu kurz ist, um sinnvoll Schild und Motorrad von hinten zu knipsen. Weitwinkel hilft zwar, aber gefallen wird das nicht. Da es auch nicht so kalt ist, kable ich mich eben ab, wenn eh bald der nächste Punkt kommt, und erst vor der nächsten längeren Lücke wieder an. Zum Einschalten der Heizweste muss ich leider Regenjacke, Motorradjacke, Membranjacke und Fleecepulli öffnen, da der Druckschalter auf der Weste kein haptisches Feedback liefert. Aber es ist auch gar nicht so kalt: 11 Grad stehen auf dem Thermometer und die Sonne wärmt schön. Aber sie geht langsam unter.

Hier am Aussichtspunkt steht mein Motorrad schon im Schatten der nächsten Bergkette:

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Gerade als ich müde werde, wechselt der Podcast von theoretischer Physik zu Michael Martin, dem weltreisenden Motorrad-Fotograf. Das hilft dann doch. 20 km vor dem Ziel verstummt er - Handy leer. Naja, für die letzten Minuten krame ich jetzt nicht das Zweithandy raus, das schaffe ich noch so wie früher ;)

Auf dem Weg kam ich noch über einen ungeplanten Passknacker - den nimmt man gern mit. Das Hotel ist schnell gefunden. Am Hotel werde ich freundlich empfangen, man zeigt mir einen überdachten Parkplatz. Ah, es ist ein Relais Motards! Es gibt ein Restaurant im Haus und einen See 100 Meter weiter. Da gehe ich nach den Gepäckschleppen und der Kettenpflege (WD40 auf untere Kettenhälfte sprühen, 1 Meter schieben, 3x wiederholen) auch hin. Und siehe, es ist noch nicht dunkel: Sonnenuntergang ist hier erst um 18:40. Das lasse ich mir gern gefallen.

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Ja, das gefällt. Wobei, ist das Schnee auf den Bergen? Wie hoch bin ich hier eigentlich? 930 Meter??! Das kann ja heiter werden morgen früh. Aber heute früh ging es ja auch.

Die Routenplanung für Morgen ergibt, dass ich durch den Umweg zum Hotel auf dem Weg zurück zur Route zufällig an zwei weiteren Passknacker vorbei komme. Was tut man nicht alles, um auf schnellstem Weg wieder zur Autobahn zu gelangen :) Morgen Abend bin ich vermutlich schon in Spanien. Das Wetter ist weiterhin trocken angesagt. Alles im Lot!

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5 Passknacker und 666 km heute
Rangliste Platz 31 von 64
965 km nach Hause
So 6.3.22 Kurs Südwest

Der Tag begann wie der letzte. Die Nacht im Hotel war erholsam. Ich hatte Frühstück dazu gebucht und mir Zeit gelassen, da es um 7 Uhr früh -5° Grad hatte. Das Motorrad parkte überdacht, aber draußen. So war es zwar eisfrei, aber etwas Sonnenlicht schadet nicht - da hilft umparken. Ich bin ja noch immer auf 930 Höhenmetern und der erste Pass heute hat gleich mal 1401 Meter. Wenn das mal keine schlechte Idee war?

Ich frühstücke gemütlich, es gibt Schokobrötchen, Brot mit Schokoladencreme, einen Schokoladen-Bananen-Kuchen, und dazu eine heiße Schokolade. Danach noch eine heiße Schokolade. So mag ich das. Nein, ich leide nicht an Diabetes.

Nach der Abreise geht es höher in die Berge hier rein. Manches kommt mir bekannt vor, aber es fehlt noch das grün. Ich mache mir etwas Sorgen über die Eisfreiheit der Straßen, aber mir kommt ein Motorradfahrer entgegen und es ist gut gesalzen - da sind keine Probleme zu erwarten. Dafür entdecke ich ein neues Feature an meiner Yamaha: Das Thermometer kann eben DOCH Minusgrade anzeigen! Und zwar -3 °C, um genau zu sein. Das ist zwar mehr als die 900 NANOKELVIN aus dem Physik-Podcast gestern über messbare Rotverschiebung schon bei 1 mm Höhenunterschied, aber warm finde ich es trotzdem. Visier und Brille bleiben aber frei, zumindest über 40 km/h. Den ersten Punkt erreiche ich ohne Probleme.

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Den zweiten auch. Der ist ein Aussichtspunkts. Da war ich schon mal. Heute sah er so aus:
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Im Mai 2018 beim letzten Besuch eher so:
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Ein Passknackerfoto später kommt dann wieder: Autobahn, dann Autobahn, und danach noch etwas Autobahn. Das ist noch immer fade. Und wieder fahre ich zum Tanken runter von der Autobahn, zur Supermarkttankstelle ins nächstbeste Dorf. Da kann ich mich auch etwas aufräumen. Es hat im Tal 6°, die tagsüber auf 12° ansteigen. Auf der Stadtautobahn von Bordeaux fahren alle sehr anständig. Ich verstehe nicht warum. Aber da nur fast alle anständig gefahren sind, werde ich es daheim vielleicht schriftlich herausfinden. Hinter Bordeaux geht's steil Richtung Süden auf der Autobahn mit den wahrscheinlich meisten Mautstellen die ich bisher hatte. Kavalierstart nach der Mautstelle ist zwar ganz nett, aber wenn ich das heute jedes Mal gemacht hätte, hätte ich abends keinen Hinterreifen mehr gehabt - oder so ;)

Vor der spanischen Grenze kommen die Pyrenäen in Sichtweite. Das motiviert unheimlich. Außerdem auch die Aussicht darauf, dass ich den Rest des Tages keine Autobahn mehr fahren werde. Fürs Lebenswerk wird noch ein Passknackerpunkt in Frankreich gesammelt, dann ein spanischer knapp hinter dem Grenzübergang. Auf dem Weg laufe ich auf eine bummelnde Gendarmerie auf, die mich aber freundlich vorbei winkt. Ich liebe Frankreich! Und doch verlasse ich es jetzt, und zwar über einen Grenzübergang, der übrigens so aussieht:

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Wie Sie sehen, sehen Sie nix. Kein Espagne, und kein Personal. Dafür Schilder auf Baskisch: Lange Worte mit viel X. Dann folgt ein spanischer Passknacker, weil ich eh gerade in der Gegend bin. Da hat mein Navi eine Abkürzung entdeckt, die mir sofort suspekt ist. Die Straße ist einspurig mit Moos in der Mitte und führt an einzelnen Häusern vorbei. Ich probiere es trotzdem, denn das nächste Manöver, links abbiegen auf "unbefestigte Straße" ist nur 2,4 km entfernt. Da hält sich der Zeitverlust wohl in Grenzen. Wie diese Straße dann aussah, das hat mich aber echt doch noch überrascht:

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Wie Sie sehen, sehen Sie... ;) Ich setze also den Haken "x unbefestigte Straßen meiden" - das hätte ich von Anfang an tun sollen, die Yamaha hat ja keinen Unterfahrschutz. Der richtige Weg macht dann aber richtig Laune. Die Kombination aus Trassenführung, Oberflächenbeschaffenheit und Verkehrsarmut lässt Motorradfahrerherzen höher schlagen. Ein junger Kleinwagenfahrer lässt mich bergab vorbei - wenn das kein Ritterschlag ist!

Mein heutiges Hotel ist sehr einfach zu finden. Ich gestehe, ich war etwas enttäuscht beim Anblick des Gebäudes und der Schrift "Hostel". Aber dann, der Checkin erfolgt ohne viele Worte, aber mit einem Lächeln und in ausgesuchter Höflichkeit. Man zeigt mir das Zimmer. In einem anderen Gebäude. Moto? Garage! Tatsächlich, hinter dem unscheinbaren Dorfhostel ist eine erstaunlich große Tiefgarage, und ich parke neben einem 3er BMW Rennauto, das anscheinend zum Driften umgebaut ist. Wie cool ist das denn. Das Zimmer ist auch top modern, die Dusche tut so gut, dass ich kaum wieder raus komme.

Im zugehörigen Restaurant gönne ich mir Burger "mit allem" (Zwiebel, Ei, Käse, Speck, Pommes) für schlappe 6,50, dazu ein Radler (wird hier wirklich so angeboten). Da kann man echt nicht meckern - außer man hatte früher mal regelmäßig Burger aus Biofleisch von totgestreichelten Wellnesskühen aus dem Reformhaus, aber hey.

Die Routenplanung für Morgen ergibt wieder mal einen abartigen Autobahnanteil, mit einem spanischen Passknacker morgens, der dieses Jahr neu ist, und vielleicht noch einem 20-minütigen Abstecher von der Autobahn zum Punkt und wieder zurück. Ganz ehrlich, ewig Autobahnfahren ist echt arg öde. Das war irgendwie vorher klar und ich habe Unterhaltung auf dem Motorrad, aber noch mal zwei Tage würde ich das nicht machen. Vielleicht geht ein Tag noch - und es ist ja nur noch ein Tag. Vielleicht stelle ich aber um auf "mautfrei". Dann kann ich auf Bundesstraßen LKWs jagen und sehe etwas mehr vom Land.

Achja, dieses Hostel hat außerdem als erste Unterkunft in diesem Urlaub einwandfreies WLAN - wow :)

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6 Passknacker und 624 km heute
Rangliste Platz 28 von 75
1475 km nach Hause
Mo 7.3.22 Anreise abreissen

Der Tag begann etwas holprig. Mein Magen mag Zwiebeln und Alkohol nicht so recht. Meine Muskulatur ist unzufrieden mit der Gesamtsituation. Daheim mache ich täglich 20-30 Minuten Gymnastik. Dafür war ich auf der Reise bisher zu faul. Früher habe ich auf Reisen vorsorglich täglich Magnesium genommen, aber dieses Mal habe ich das irgendwie vergessen. Und jetzt leide ich. Mimimi, hilft ja nix, aufstehen, Laptop raus, Gymnastik nachturnen. Die Rückenstrecker sind deutlich zäher als sonst. Merken, damit sorgfältiger umgehen, und Magnesium auftreiben. Wo ist eigentlich der nächste Supermarkt? Laut Google Maps wohne ich genau über einem. Okay, dann warte ich auf 9 Uhr, bis er öffnet, suche Magnesium und kaufe dort gleich noch das Frühstück. Ich verpasse nichts, denn draußen ist es eher trüb.

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Bis 9 Uhr kann ich ja schon mal alles abfahrbereit einpacken. Um 9 Uhr gehe ich in den Supermarkt, finde kein Magnesium, aber Frühstück: Schokoröllchen. Das verzehre ich im Zimmer, gehe dann in die Tiefgarage, will die Yamaha satteln... aber das grüne Licht am Heizgriffschalter leuchtet. Oha! Entweder war jemand so freundlich, das gerade erst eingeschaltet zu haben, oder ich habe es gestern abends nicht ausgeschaltet und mir jetzt über Nacht die Batterie entleert. Zündschlüssel zeigt: Letzteres. Anschieben brauche ich auf dem glatten Boden dieser Tiefgarage nicht zu probieren, da lege ich mich nur beim Anschieben auf die Nase, oder ziehe danach mit dem Hinterreifen einen schwarzen Strich.

Also aktiviere ich als ordentlicher Deutscher der ADAC Notruf und warte 4 Stunden. Nein, den Fehler mache ich nicht. Ich frage an der Bar des Hostels ohne Spanisch, aber mit Hand und Fuß (und Google) ob er mir helfen kann, er telefoniert jemanden herbei, und 30 Minuten später klemmt der eine kofferförmige Powerbank an meine Batterie, woraufhin die Yamaha anspringt, als hätte sie nie was anderes getan. Bevor ich mich richtig bedanken kann, oder ihm etwas anbieten kann, ist er auch schon wieder weg. Muchos Gracias! Ich bin glücklich. Die Yamaha nur so halb:

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Aber der Motor läuft - das reicht mir. Los geht's, insgesamt doch fast eine Stunde später als die Tage zuvor, jetzt bloß nicht abwürgen und bei Pausen lieber laufen lassen. Heute früh steht der Passknackerpunkt "Gorostieta, Alto" auf meinem Plan, der 2022 neu dazu kam. Da ich 2021 alle Punkte in Spanien gemacht habe, muss ich da natürlich hin. Wie sieht das denn sonst aus auf der "Lebenswerk"-Karte! Der Punkt ist auch der Grund für die Anreiseroute. Auf der Abreise wäre der Umweg hierher nämlich größer, und irgendwo muss ich ja entlang fahren. Weil ich eh schon hier bin und quasi auf der Zufahrt davon übernachtet habe, nehme ich auch noch den benachbarten Punkt mit dem kompakten Namen "Leurtzako urtegiak / Leurza, Embalses de" mit. Das ist ein kleiner Stausee im Wald, und zwar Sackgasse, aber man kann zwei verschiedene Wege hoch fahren, so dass ich nicht alles doppelt fahre. Die Route ist so 20 Minuten länger als ohne, aber ein bisschen Spaß muss sein.

Also los. Kaum fahre ich, geht die ABS-Lampe aus. Das ist gut. Die TCS-Lampe und die Motorkontrollleuchte bleiben an - nicht so gut. Vielleicht gibt sich das ja beim nächsten Motorstart wieder. Das probiere ich am besten bergab, vor einer Motorradwerkstatt, die gerade geöffnet hat.

Die Route den Berg hoch bin ich letztes Jahr schon gefahren, aber so recht erinnern kann ich mich nicht. Letztes Jahr war ich hier bei Regen und Nebel. Jetzt ist dagegen richtig warm, also mir zumindest, nach all der Warterei in den warmen Motorradsachen. 7 Lagen am Rumpf, 5 Lagen an den Armen und Beinen und 6 am Bobbes. Das Thermometer zeigt 7 Grad. Es sieht auch eher warm aus, mit erkennbaren Spuren von Kälte vorher:

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So fahre ich die ersten zwei Punkte ohne Heizweste. Das klappt gut. Ich achte darauf, dass ich keine TCS habe, nachdem ich mich deshalb letztes Jahr auf die Nase gelegt habe. Der Weg zum zweiten Punkt hoch ist neu. Der ist durchaus schön, und vielleicht nichts besonders in Spanien, aber ich habe Spaß. Es erinnert mich daran, was da noch alles leckeres auf mich zukommt. Der Quickshifter verweigert übrigens auch den Dienst - die zugehörige Kontrollleuchte habe ich abgeklebt, denn die leuchtet normalerweise permanent grün, was mich irritiert.

Ein Passknackerfoto später kommt dann wieder: Autobahn, dann Autobahn, und danach noch etwas Autobahn. Das ist weiterhin fade, aber zumindest spannend: Wird die Maschine nach dem Tankstopp wieder anspringen? Ich komme auf die "geniale" Idee, auf einem abschüssigen Autobahnstück, vor einer Ausfahrt mit Tankstelle auszukuppeln, die Zündung auszuschalten, wieder einzuschalten und einzukuppeln. Voila, der Motor läuft sofort wieder, und die TCS-Lampe ist aus! Und auch der Quickshifter geht wieder! :) Jetzt ist nur noch die Motorkontrollleuchte an. Vermutlich irgendwas im Fehlerspeicher. Da hilft später vielleicht noch ein Klebestreifen, er beruhigt sich von alleine, oder lese mal nach, wie man das zurücksetzen kann.

Beim ersten Tankstopp springt das Motorrad wieder an, und ich sitze die 500 km auf der Autobahn ab. Immerhin gibt's hier mehr Landschaft zu gucken als in Frankreich, und es geht auch über Berge und durch Tunnel. Ich eiere irgendwelchen Autos hinterher, damit ich keine groben Fehler bei der Tempowahl mache. Im Unterschied zum letzten Jahr ist viel mehr Verkehr, und es ist praktisch keine Polizei unterwegs. Letztes Jahr war mehr Behörden- als Privatverkehr auf den Fernstraßen. Beim zweiten Tankstopp mache ich etwas länger Pause und suche mir ein Hotel für die Nacht. Noch 2 Stunden fahren sollte möglich sein, das ist dann 17:15. Etwas kürzer als sonst, aber zum Abschluss des öden Teils der Reise ist das mal okay.

Meine Kettenspannung macht mir etwas Sorgen. Das merke ich am Lastwechselverhalten. Wenn der Schub verzögert und mit einem Ruck kommt, möchte die Kette gespannt werden. Leider kann man mit dem Bordwerkzeug der Yamaha nicht die Achse lösen. Interessanterweise ginge es mit dem Bordwerkzeug meiner Kawa, aber das habe ich nicht eingepackt. Die Kette zu spannen, ohne die Achse zu lösen ist zwar prinzipiell möglich, aber nur 1x - die Gewinde der Kettenspanner in der Schwinge sind dem nicht gewachsen. Also suche ich mir in der Nähe der Autobahn und der nächsten Großstadt, Salamanca, zwei Motorradwerkstätten in einem Gewerbegebiet raus und fahre da einfach mal vor. Das Gewerbegebiet ist nach deutschen Maßstäben ziemlich chaotisch. Es sind richtig viele eher kleine Unternehmen, Tür an Tür, die auch die Straße als Gewerbefläche nutzen. Ständig muss man Gabelstaplern und Arbeitern ausweichen. Werkstatt Nr. 1 hat geschlossen. Bei Werkstatt Nr. 2 stehen diverse Enduros und Quads und jemand räumt gerade dicht gedrängte 50er Roller aus einem Transporter. Da fühle ich mich richtig. Ich halte, stelle den Motor ab, gucke unschuldig und wackle an der Kette. Man steht meinem Problem mitfühlend gegenüber und 15 Minuten sowie 10 Euro später bin ich wieder unterwegs, und das auch noch mit frischem Kettenspray - von dem die Hälfte vermutlich nicht lange haften wird, zumindest nicht auf der Kette, aber was soll's.

Frisch gespannt geht's auf die letzte Etappe, von Salamanca nach Südwesten in die Sierra de Francia. Francia heißt Frankreich, und die Sierre de Francia liegt an der Grenze zu Portugal - logisch, oder so. Hier haben tüchtige Menschen über den Winter 6 neue Passknackerpunkte auf der spanischen Seite eingetragen, wo ich also noch nie war, usw siehe oben ;) Aus Salamanca raus wähle ich die etwas kürzere Bundesstraße. Hier geht's zwischen Weidewiesen und anderen landwirtschaftlichen Flächen mit geringer Nutzungsintensivität - nicht zu verwechseln mit Natur ode gar Wildnis - elegant verkehrsfrei auf gutem Asphalt direkt ans Ziel, nach El Cabaco. Bald tauchen Berge in der Ferne auf, was motiviert.

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Das Hostel ist über einer Bar, dort brennt Licht - gut! Die Tür ist abgeschlossen - schlecht. Es gibt eine Treppe zum Hostel hoch, wo die Tür offen ist. Ich klopfe und rufe und werde empfangen. Mit Hand und Fuß checke ich ein. Der Wirt stellt noch die Heizung ein - das ist gut. Das heißt aber, dass sie vorher komplett aus war, also ist auch alles kalt - das ist schlecht.

Abendessen werde ich mir an der Bar suchen, Frühstück habe ich noch die Reste von heute. Auch hier gibt's wieder prima WLAN :) Das ist ja schließlich ein Ort mit 248 Einwohnern hier, und der einzige weit und breit. Natürlich hat man da LTE+ und Hotel WLAN mit 30 MBit/s.

Nach den 6 spanischen Punkten morgen früh geht's nahtlos nach Portugal rein, und damit dann richtig los. Sozusagen Zeit für ein Zwischenfazit Anreise: Ja, es ist weit. Nein, das macht keinen Spaß, aber man kann es ertragen. Die ersten Schwierigkeiten hatte ich heute und konnte sie meistern. Es ist in Summe echt unangenehm kalt auf der Naked, das Windschild reicht mir ungefähr bis zum Bauchnabel, und ohne das ganze Heizgeraffel weiß ich nicht, ob ich das geschafft hätte. Vielleicht muss ich doch mal einen Transporter anschaffen. Na, mal sehen was nach der Heimreise dazu denke - dafür habe ich doppelt soviel Zeit eingeplant wie für die Anreise :)

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1 Panne
2 Passknacker und 557 km heute
Rangliste Platz 25 von 77
1992 km nach Hause
Di 8.3.22 Zielland erreicht

Gestern Abend gab's im Restaurant noch eine heiße Suppe für mich, und dazu Kartoffelbrei. Der Koch hat extra für mich gekocht, denn ich war der einzige Gast. Leider war nach dem Abendessen die Heizung am Zimmer aus, und so näherte sich das Zimmer samt allen Inhalts über Nacht der Außentemperatur an. Ich finde noch eine warme Decke und verbarrikadiere mich im Bett. Wärmeflasche geht auch nicht, denn das Warmwasser ist ebenfalls kalt. Brrr. Mir ist echt langsam kalt genug.

Am nächsten Morgen ist es noch immer kalt, die Extradecke hat sich über Nacht vom Bett verflüchtigt. Da muss dann die Heizweste ran, und ich überlege, wie ich meine Motorradsachen warm bekomme. Bei draußen 2° will ich nicht im Gefrierbeutel gegen den Fahrtwind antreten. Am Ende sitze ich in Motorradkluft unter der Bettdecke und frühstücke die Schokoröllchen. Danach hüpfe danach solange Pogo durchs Zimmer, bis mir warm und/oder schwindelig wird. Bloß weg hier.

Auf dem Motorrad war mir dann zum Glück warm. Das Motorrad springt auch freiwillig an - ich hatte etwas Bammel, dass die Batterie die Tiefentladung nicht gut weggesteckt hat. Auch die Lage an der Warnlampenfront ist unverändert. Allerdings ruckt die Kette schon wieder. Seufz. Na, vielleicht kann ich nächste Woche Kette und Reifen gleichzeitig wechseln lassen, dann brauche ich am Heimweg nicht sparsam zu sein.

Heute steht der Grenzübertritt nach Portugal an. Ab jetzt fahre ich an keinem Passknackerpunkt mehr vorbei, sondern sammle alle ein! Das sollte den Fahrspaß pro Kilometer drastisch erhöhen. Auch die Temperaturen gehen jetzt nach oben, ab morgen ist jeden Tag 10-20 Grad angesagt. So geht es optimistisch ans Werk.

Der erste Passknacker wandert ohne besondere Ereignisse in den Köcher. Auf dem Weg zum nächsten Punkt, Los Lobos, 1499 Meter, steht eins von diesen "Pass offen/geschlossen" Schildern. Es steht auf gelb: Aufpassen. Okay. Dann kommt mir ein Räumfahrzeug entgegen, und der Fahrer winkt wie verrückt. Ich halte daneben und verstehe so halbwegs, dass die letzten 2 km wohl Schnee liegt. Au weia. Naja, dann schauen wir uns das mal an. Eine Katastrophe wäre es nicht, wenn es nicht kappt, denn ich bin ja noch in Spanien.

Es wird nach oben kälter, es liegt immer mehr Schnee neben der Fahrbahn, das Thermometer sinkt auf 0 Grad, aber die Straße ist frei, abgesehen von 4 Rehen und einem Fuchs, und ich komme einwandfrei zum Passschild. Check.

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Jetzt gibt es noch einen Abstecher nach oben, zu einem Aussichtspunkt. Der ist 2 Kilometer lang. Aha, ich erinnere mich an die 2 km vom Winterdienstfahrer! Es geht also zum "Francia, Santuario de la Peña", auf 1699 Meter hoch. Hier ist schon alles weiß und grau und ich fahre auch im Nebel rum, unterstützt vom Nebel am Helmvisier. Es liegt hier und da Schneematsch, der lässt sich aber umfahren, ist nicht gefroren und auch nicht sonderlich tief. Einfach vorsichtig fahren, dann klappt das schon.

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Und sich nicht fragen, was man hier eigentlich gerade macht und wie man das irgendwem erklären würde, wenn's schief geht. Immerhin hat mich der Winterdienst vorhin gesehen, der würde mich spätestens morgen früh finden. Nicht grübeln, Foto machen!

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Und weiter geht's, zurück zum Los Lobos, auf die Westseite. Das ist ja an sich die Schattenseite, also rechne ich mit dem schlimmsten. An zwei Stellen sind Schneeverwehungen, aber nur ein paar Meter lang und es ist bereits ein Auto drüber gefahren. Gut, dass der CRA3 auch als Winterreifen taugt. Danach ist es weiterhin neblig und schattig, aber die Straße verliert schnell an Höhe und es wird wärmer. Da kommt auch Fahrspaß auf, denn hier ist niemand sonst. MT-09 fahren auf einsamen Bergpässen rockt einfach.

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Jetzt geht es die Sierra entlang auf überwiegend breiten und guten Straßen. 5. und 6. Gang dominieren das Geschehen. Fahrfreude kommt auf - denn dafür bin ich doch hier! Irgendwann will mein Navi links. Hmm. Die Straße sieht suspekt aus. Es stand aber ein Wegweiser an der Kreuzung, und die Straße hat sogar eine Nummer.

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Da schaue ich mal lieber im Navi und in OSM nach: Ja, das lohnt sich, und nein, das wird nicht schlimmer. Na gut, 8 Kilometer sind trotzdem recht lang, wenn man auf besonders tiefe Schlaglöcher und eine stellenweise lose Deckschicht achten muss. Umso mehr Spaß macht danach wieder die Hauptstraße. Die ist wirklich vorzüglich zu fahren und hat alles, was das Motorradfahrerherz begeht. Wie schon letztes Mal in Spanien kommt der Eindruck auf, in einer Simulation unterwegs zu sein. Alle paar Kilometer kommt noch ein Extra dazu. Z.B. ein Stausee, ein motivierter Einheimischer, Dörfer und Burgen am Hang, idyllische Hänge, diese historische Brücke in der Nähe der Stadt Alcantara...

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... es wird einfach immer besser. Irgendwann habe ich auch nahezu Rundumaussicht am Passknacker.

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Dann geht es eine Weile sehr zügig, aber immer kurvig an der Grenze entlang. Ich fasse noch Sprit und weil eine Waschbox daneben ist, darf der Schmodder von der schlechten Wegstrecke und das Salz der letzten Tage auch gleich runter. Und dann bin ich auch schon in Portugal.

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Hier ist die Landschaft und der Straßenbau zunächst ebenso nett.

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Dann wird alles etwas gerade, und Richtung Süden geht's für mich dann über Bundesstraßen. Hier machen die Autofahrer sehr nett Platz. Die Spritpreise sind hier eher 2,00 Euro statt 1,75, darum hat es niemand sonderlich eilig. Das Thermometer zeigt sagenhafte 16 Grad bei bewölktem Himmel. Die nächsten Tage ist besseres Wetter angesagt. Das freut mich wirklich sehr und so lege ich auch die Regenjacke ab. Die befürchteten Regenschauer verpasse ich, oder sie haben sich in Wohlgefallen aufgelöst.

Ich suche mir das Hotel heute etwas südlicher, also weiter, als ursprünglich geplant, damit ich morgen wieder hier übernachten kann. Es wird ein Stadthotel in Beja mit Garage in der Nachbarschaft. Ich spreche original 1 Wort portugiesisch, hatte aber der Eindruck dass man da mit Englisch durchkommt. Im Hotel klappt es, auch wenn ich es selbst unhöflich finde. Ich muss dringend ein paar einfache Sätze lernen.

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10 Passknacker und 525 km heute
Rangliste Platz 16 von 78
2498 km nach Hause, 109 km vor Plan
5,6% von Portugal

@Luzi
Karl ist noch weiter südlich unterwegs, bei Gibraltar. Eigentlich sollte ich ihn immer VOR der Reise fragen, das wäre einfacher :)
Mi 9.3.22 Süd-Portugal, Algarve

Gestern Abend habe ich im Hotel noch die Fernsteuerung für die Klimaanlage gefunden und hatte damit eine Heizung! Eine sehr warme Lüftung, die mir im Bett ins Gesicht bläst, um genau zu sein. Abendessen war Pizza Schinken Speck Würstel mit Getränk für 10 Euro, in einem zugigen Außenzelt. Die Kohlenhydrate konnte ich gebrauchen.

Beim Frühstück gab's kein Nutella :( Der Tag konnte ja nichts werden. Aber der Reihe nach: Es ist trockenes Wetter angesagt mit bis zu 18 Grad heute. Darauf freue ich mich schon sehr lange. Nach dem Frühstück laufe ich in Motorradkombi mit Tankrucksack die 400 Meter zur Tiefgarage, bezahle mittels Voucher von der Hotelrezeption, und starte in die Tour - nein, ich tanke erst, hier ist eine Supermarkttankstelle im Ort. Üblicherweise sind das die günstigsten. Ich starte erstmals in diesem Urlaub ohne Regenkombi und ohne Heizweste! Ein echter Meilenstein.

Die Route führt mich zunächst 113 km stumpf nach Süden. Anfangs gerade Hauptstrecke, kreuzungsfrei und flüssig zu fahren, kommt danach Bergland mit der dazu nötigen Trassierung. Aus Rücksicht auf Motorradfahrer geht es also wenig geradeaus. Der Straßenzustand schwankt zwischen 1 und 2. Die Fahrbahn- und Fahrspurbreite erinnert an deutsche Autobahnen. Und es ist nichts los. Hier kann man sich also ungestört frei entfalten, z.B. auf der ER124. Wer schon mal in Sardinien war, fühlt sich daran erinnert, inkl. Überhöhung der Kurven. Traumhaft!

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Bemerkenswert ist dann noch ein Luchs-Schutzgebiet. Besondere Beschilderung, Tempo 50, doppelte Zäune auf beiden Seiten der Straße und die bisher einzige Anzeige "Sie fahren xyz km/h" in Portugal.

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So geht das die erste Hälfte der Tour nett immer weiter. Mittags hatte ich mir auf ausdrücklichen Rat eines Forenusers einen Wegpunkt direkt an die Küste gelegt, und wenn ich schon mal hier bin, sollte ich da ja auch wirklich hin. Außerdem muss ich ja irgendwo Mittag machen. Meine Befürchtung, auf einer Partymeile zu landen mit deutschen Bierbäuchen und verzweifelten russischen Oligarchentöchtern, denen das Nasenpuder ausgeht, weil ihre Kreditkarten nach dem SWIFT-Rausschmiss nicht mehr funktionieren, hat sich nicht bewahrheitet. Hier sind ein paar andere Touristen, aber vor allem Portugiesen, und der Parkplatz ist 90% leer. Und der Strand nicht weniger schön. Zeit für Schokoriegel und Würstchen!

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Dabei fliegt eine Möwe sehr dicht an mir vorbei. Klar, die will ja auch Schokoriegel und Würstchen. Aber nicht von mir, ätsch! Die nächsten Punkte liegen deutlich westlich. Die mautfreie Strecke ist verkehrsreich, mit durchgehendem Überholverbot, vielen Kreuzungen und oft auch baulicher Trennung der Fahrspuren. Also ganz schön öde. Ich tanke noch und kaufe ein, danach schwinge ich mich auf die mautpflichtige Autobahn, in der Erwartung, dass ich dafür bezahlen werde. Tja, nö. Das ist so eine elektronische Mautgeschichte, ohne Mautstationen. Ich nehme mir vor, abends nachzuschlagen, wie das geht.

Der erste Passknackerpunkt der zweiten Tageshälfte, Espinhaco de Cao, liegt genau da, wo die Autobahn aufhört, also an der Hauptstrecke. Das macht sie zwar nicht weniger schön, aber etwas Verkehr ist hier schon. Einer davon ist ein Einheimischer auf einer Royal Enfield, die ich andächtig verfolge. Er kann's kaum glauben und guckt alle drei Sekunden in den Spiegel :) Dann bin ich auch schon am Punkt und mache Pause, denn das waren jetzt schon wieder 60 km.

In der nächsten Stadt biege ich rechts ab, zurück ins Hinterland, und habe die Straßen wieder fast für mich alleine. Hier ist alles etwas robuster und rauer. Die EN267 lockt wieder mit Traumradien und -landschaft, hat aber Bodenwellen im Kurvenbereich in Petto, die die Yamaha und mich doch aus der Ruhe bringen. Wenn dabei die Fußraste aufsetzt, weiß man: Bis hier hin und nicht weiter. Man nehme eine halbe Kohle aus dem Feuer. Apropos: Der nächste Punkt heißt Foia *badumm-tss* und das hier ist die Aussicht auf der Südwestseite:

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Es ist schon sehr cool hier. Auf der Nordostseite ist die Straße enger und holpriger, bis man wieder auf die EN266 einfädelt. Überall wachsen Zitronen.

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Dann kommt auch schon der letzte Wegpunkt heute, Portela das Corchas. Das ist der vermutlich einzige Passknackerpunkt, der in einer Senke liegt. Links eine Ruine, rechts Gestrüpp, irgendwo später eine Kreuzung, kein Schild. Ich verrichte mein Geschäft, mache danach Pause, bin irgendwie fertig für heute und fahre weiter. Es sind noch 127 km und es ist bereits 16 Uhr. Ich bin hier übrigens in einer anderen Zeitzone, daher geht die Sonne heute früher unter als vorgestern. Also wundert euch nicht über die späteren Berichte, mein Arbeitsvertrag richtet sich nach Ortszeit ;)

Der Weg zurück nach Beja zieht sich echt. Leider sind die letzten 100 km der Strecke auch einfach öde. Sehr breite Bundesstraße, kreuzungsfrei, Beschleunigungs- und Verzögerungsstreifen. Es ist schon etwas mehr Verkehr als sonst heute, aber alle lassen mich vorbei bzw. gibt es genug Überholmöglichkeiten. Es gibt aber keine Pausen- oder Rastplätze. Und auch kein taktisch nutzbares Gebüsch, denn mein Flüssigkeitsstoffwechsel läuft endlich wieder. Die letzten Tage habe ich zu wenig getrunken, weil mir kalt war, und weil noch kältere Getränke da richtig schwer runter gehen.

Wenigstens muss ich heute kein Hotel suchen, ich bin ja im gleichen wie gestern. Ab ins Parkhaus, 400 Meter laufen, umziehen, sammeln, Verwaltung. Dann der Schock: Warum habe ich nur 7 Passknackerfotos, ich war doch heute bei 8 Passknackerpunkten? Scheiße! Es fehlt der allerletzte. Die Ruine in der Senke vor der öden Rückreise. SEUFZ. Nach dem vorherigen Punkt habe ich nur den Zitronenbaum fotografiert, aber leider zu schnell, als dass das Handy schon GPS drin hätte. Den findet man nicht einfach so in Street View, falls es das auf diesen Ministraßen überhaupt gab. Inzwischen habe ich einen Draht zum Passknackersuperadmin und lege ihm mein Problem dar. Nach eingehender, aber unkomplizierter Prüfung kommt er zum Schluss: Na gut! Puh, da hatte ich Glück.

So, und was war jetzt mit dieser Maut? Elektronisch online kenne ich aus Italien, da kann man sich nachträglich registrieren, da stehen auch extra Schilder mit der Domain. Nicht so in Portugal! Da steht ein Schild mit einem Auto drauf, einem Eurozeichen und Funkwellen, und das heißt, wer hier ohne VORHERIGE Registrierung oder Transponder durchfährt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Es gibt keinen vorgesehenen Weg, das wieder gut zu machen durch nachträgliche Anmeldung. Ich versuche mich wenigstens für zukünftige elektronische Maustrecken anzumelden, aber die Webseite mag keine meiner drei Kreditkarten. Oder sie erwartet die Eingabe in einem bestimmten Format. Nicht registrierte Nutzer werden gefilmt und kriegen einen Kostenbescheid nach Hause, inkl. Zusatzgebühr. Wer nicht zahlt, kriegt noch eine Strafe oben drauf. Die Maut kostet übrigens zwischen 50 Cent und 2 Euro je Ausfahrt, und andere Ausländer hatten mit der Verwaltung dazu ebenfalls schon viel Spaß, weil ausländische Nummernschilder oder Bankverbindungen nicht in allen Teilsystemen vorgesehen sind. Da kommt also noch was auf mich zu, und ich vermeide diese Strecken jetzt eben so gut ich kann. Es gibt auch "normale" Mautstrecken mit Schranke und Ticket usw., das wäre ja okay. Mein Navi kann aber nicht nur eine davon vermeiden, sondern alle oder keine. Das heißt für mich zusätzlichen Planungsaufwand und irgendwann böse Post daheim.

Okay. Dann wäre da noch der Hunger. Es ist spät, jetzt nichts kompliziertes. Was ist das näheste? Pizzeria. Hatte ich gestern. Asia? OK! Es wird Garnelenspieß und Sushiteller für 11 Euro, Takeaway. Besteck habe ich dabei. Danach kann sich auch keiner beschweren, dass es im Hotelzimmer nicht nach frittiertem Seafood riecht. Morgen geht's Richtung Lissabon.

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8 Passknacker und 475 km heute
Rangliste Platz 12 von 79
2498 km nach Hause, 81 km vor Plan
16,9% von Portugal (12 von 71)
Do 10.3.22 Wenn du Jesus siehst, musst du bremsen!

Morgens komme ich nicht aus dem Quark. Ach was soll's, ich habe Urlaub. Auch das Packen nach zwei Übernachtungen dauert länger als nach einer, weil ich mehr ausgepackt hatte als sonst. Zusammen mit der zusätzlichen Fahrzeit, und der zusätzlichen Fahrstrecke - die durchaus auch Geld kostet - muss ich sagen, dass sich diese Doppelübernachtung für mich nicht so recht gelohnt hat. Und dass das Motorrad nicht beim Hotel parkt, möchte ich eigentlich auch nicht wieder. Das kostet alles Zeit und Nerven.

In Sachen Maut hat sich ein Freund eingeschaltet, der bei Easytoll aber auch an angeblich ungültigen Kreditkartendaten scheitert. Also bucht er mir eine 3 Tage-Flatrate. Das kapiere ich erst, als ich schon mit gezogenem Mautticket auf einer der analogen Mautstrecken unterwegs bin. Nunja, 8 Euro dem Betreiber geschenkt - das müsste sich dann ja eigentlich verrechnen lassen mit den ca. 5 Euro, die ich gestern geprellt habe. Heute fahre ich aber reinen Gewissens die grüne Spur, an den Schranken vorbei. Die Route ist auch eher autobahnlastig.

Ich muss nach 140 km Überführung durch die Stadt Setubal, um zu einer netten Küstenstraße zu kommen. Hier liegt der Passknackerpunkt Arrabida. Große Schilder warnen, dass irgendwas irgendwo gesperrt sein soll - glücklicherweise betrifft es mich nicht, denn sonderlich viele Straßen gibt es hier nicht. Es ziehen Wolken vom Meer her auf und in hohem Tempo die Steilküste hoch - ich fahre direkt unten durch. Ziemlich beeindruckend.

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10 Minuten später klart es schon auf. Das gefällt mir besser.

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Die Wettervorhersage hat Schauer angesagt im Regenradarvorhersagefilm. Davon ist im aktuellen Regenradar aber nichts zu sehen. Ich freue mich, denn Regen hatte ich noch nicht, brauche ich auch nicht. Danach geht es direkt nach Lissabon. Ich besuche die große Jesus-Statue Christo Rei. Die ist gar nicht so gut ausgeschildert, und das Navi hat innovative Ideen für Abkürzungen. Die Statue ist echt groß, und dahinter ist der Ausblick auf Lissabon, Bucht und Brücke beeindruckend.

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Hier mache ich meine Mittagspause, und verzehre eine kleine Tüte Chips, die ich gestern vergessen hatte. Die sind vom Packmaß her verflucht unpraktisch. Dann ist wieder Passknacker angesagt: Der westlichste Punkt auf dem europäischen Festland ist einer. Ab auf die Autobahn, per Express durch den Ballungsraum! Im Großraum Lissabon werden die Autos neuer und teurer als auf dem Land, und Tempolimits interessieren hier auch kaum jemanden. Hier stehen 2 von insgesamt 3 festen Blitzern im Land, aber jeder weiß Bescheid. Ich habe es nicht eilig. Dann kommt eine kurvige Küstenstraße, Abstecher an die Küste: Tourigegend! Haken dran.

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Mein Navi möchte jetzt den gleichen Weg zurück, das sieht auf der Karte aber nach Umweg aus, daher platziere ich einen Punkt in die Verlängerung der Küstenstraße. 3 Kurven später beginnt Nieselregen, dann kommen lange Abschnitte mit aufgefrästem Asphalt und Wechselampel. Noch 5 Kurven später fängt es richtig zu regnen an. Seufz. Dann also rein die Regenjacke und weiter. Meine Hose ist ja wasserdicht und so kalt wird's hier nicht. Noch 5 Kurven später kommt die nächste Autobahn. Das hat sich ja mal nicht gelohnt...

Es geht jetzt 80 km Richtung Norden, und zwar im Regen. Die Hose entpuppt sich als doch nicht so wasserdicht. Die habe ich jetzt keine 12 Monate im Einsatz und bin höchstens 30000 km damit gefahren. Schönen Dank auch, IXS! Garantiefall! Erst nach dem feuchten Eindruck aktiviere ich die Sitzheizung, und das macht es doch deutlich angenehmer. Der Montejuno ist mein nächstes Ziel. Der Regen lässt nach und hört fast ganz auf. Navi will durch einen Recyclinghof navigieren :)

Irgendwie kommt es mir hier bekannt vor. Tatsächlich, bei der Nacharbeit stelle ich fest, dass ich 2014 schon mal hier war, damals mit einer Mietmaschine, und hier waren lustige Dreiräder unterwegs :)
https://www.motorradonline24.de/forum/t ... ost2040664

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Aber so richtig bekannt kommt's mir dann doch nicht vor, denn die letzten Kilometer habe ich eher wenig Sicht...

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Am Rückweg entdecke ich noch ein paar Windräder. Da fahre ich doch mal hin! Mit meiner solar betriebenen Kennzeichenbeleuchtung bin ich ja auch ein Fan von allem, was nicht fossil betrieben wird ;)

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Und das war dann schon der Pflichtteil für heute. 50 km weiter im Norden liegen die nächsten Punkte. Das wäre mir aber zu spät, bzw. will ich nicht in den Bergen übernachten: Weniger Auswahl und kälter. Mein Hotel für heute ist dann also in Rio Maior. Das ist eine Kleinstadt, die schon bessere Zeiten gesehen hat, und das Hotel ist beachtlich groß und stark frequentiert dafür, dass hier eigentlich nichts besonderes ist. Zum Abendessen gibt's Falafel, und für morgen früh Milka Schokokekse. Das Motorrad steht vor dem Hotel und wird dort hoffentlich auch morgen früh noch stehen. Bei der Nachbereitung fällt auf, dass ich es irgendwie geschafft habe, am Tag mit dem höchsten Autobahnanteil meinen Plan zu verfehlen. Vielleicht wegen des Umwegs aufgrund der Doppelnacht in Beja? Na egal, ich hab Urlaub.

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3 Passknacker und 398 km heute
Rangliste Platz 12 von 83
2333 km nach Hause, 32 km hinter Plan
21,1% von Portugal (15 von 71)
Fr 11.3.22 Zentralportugal

Morgens komme ich mal gut aus dem Quark. Zum Frühstück gibt's Kekse. Das Motorrad ist noch da. Das Wetter sieht verschnupft aus, so geht's in Regenhose und mit griffbereiter Regenjacke los. Heute steht endlich mal weniger Überführung und mehr Pässeknacken auf dem Plan.

Die Pässe liegen sehr abseits, in zwei dünn besiedelten Regionen. Trotz kurzer Entfernungen auf der Karte hat man erhebliche Strecken zu fahren. Vom Tagesziel verabschiede ich mich schon früh - was soll's, ich hab Urlaub.

In Spanien werden Kurvenstrecken von der Verkehrspolizei mit Drohnen und Helikoptern überwacht, an denen Kameras montiert sind. In Portugal geht man da anscheinend etwas robuster vor, wenn ich dieses Schild richtig deute:

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Kleiner Scherz. Natürlich interessiert sich niemand in Portugal für die StVO. Erst recht nicht da, wo ich fahre.

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Aber ich habe es nicht mal eilig. Ich hab Urlaub. Und kalt genug ist es auch schon beim erlaubten Tempo. Ich habe 13 bis 8 Grad je nach Regen- und Höhenlage auf dem Tacho stehen. Die Punkte liegen zwischen 500 und 1000 Höhenmetern.

In Sachen Maut habe ich gestern Abend noch festgestellt, dass meine 20 Euro-3 Tage-Flatrate nur für die rein elektronischen Strecken gilt, und ich eben nicht die grünen Spuren benutzen dürfen hätte, sondern weiterhin Tickets ziehen muss. Toll, Geld bezahlt, und trotzdem Straftäter. Heute stelle ich mich wieder zum Ticketziehen an, und prompt nimmt der Automat an der nächsten Station das Ticket nicht mehr an. Ich füßele zurück, zum Glück ist niemand hinter mir, und ich suche mir eine Spur mit Personal. Da geht's dann einwandfrei. Was zur Hölle... liebe Portugiesen, zündet die ganze Maut-Schei*e doch einfach an, fackelt sie ab, lasst die dort Beschäftigten sinnvollen Tätigkeiten nachgehen, nutzt die Flächen für was besseres und legt euch so'n simple Aufkleberlösung wie die Schweiz zu, wenn's unbedingt Maut sein muss. Einheimische juckt der Betrag nicht, Touristen auch nicht wirklich, Touristen zahlen je Fahrt denn deutlich mehr, und das völlig EU konform. Amen. In Ballungsgebieten bitte mautfrei, schönen Gruß von den Anwohnern, fertig.

Kommen wir zu etwas erfreulicherem: Die Passknackerpunkte! Ich habe heute 10 Stück, das ist viel an einem Tag für Portugal. Manche sind einfach zu finden und gut beschildert, ...

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... andere nicht so sehr. Die meisten sind leicht zu finden, aber bei einem führt mich das Navi durch dieses Dorf...

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... was ja auch malerisch ist, aber dahinter wird die Hauptstraße (links im Bild, Kopfsteinpflaster, nass, steil) zum Waldweg. Pfui, aus, böses Navi! Die Straßen führen hier über eine weitläufige Hügellandschaft mit Lavendel.

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Der Straßenzustand ist eher so 3-4 und im Regen nicht wirklich vertrauenserweckend. Das kostet ziemlich Konzentrationen, und so suche ich schon etwas früher als sonst nach einem Hotel. Das ist gar nicht so einfach, weil es hier sehr dünn besiedelt ist, und weil die Umwege wegen der Hügellandschaft auch schnell richtig weit werden. Kommt dann noch ein Kartenfehler dazu, so dass man irgendwo den Berg doch wieder runter muss, hat man 45 Minuten Umweg zum Hotel von der Route. Morgens und abends sind das 1,5h oder 1/4 der Fahrzeit, wenn man 6h am Tag rollt. Aber es ist ein schöner Umweg.

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Mein Hotel heute ist in Arganil, und es ist mit Rally-Devotionalien dekoriert. Hier war und ist wohl gern die WRC Rally Portugal zu Gast. Ein gewisser Walter Röhrl hat hier in einer Nacht- und Nebeletappe die Konkurrenz so richtig demoralisiert, übrigens in meinem Geburtsjahr.
https://www.rallye-magazin.de/walter-ro ... l-arganil/

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Das Hotel ist echt kommod für 39,50 inkl. Frühstück. Die Kette kriegt noch etwas Spray, die Warnlampe im Cockpit kriegt einen Streifen Isolierband, ich kaufe ein und schnappe mir dann etwas zu Essen. Da ich früh dran bin, der Hunger nagt schon sehr, wird es Pizza - alles andere macht erst 19 Uhr auf. Morgen geht's weiter in die Berge bei weiterhin nicht so tollem Wetter.

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10 Passknacker und 375 km heute
Rangliste Platz 11 von 84
2207 km nach Hause, 240 km hinter Plan
35,2% von Portugal (25 von 71)

Ich bin jetzt den 8. Tag unterwegs. Zwischenfazit? Anreise war nicht angenehm, aber okay, und ich find's cool, dass ich es gemacht habe. Das Motorrad läuft gut, die Reifen halten wie geplant, der Plan war vielleicht etwas optimistisch, aber ich habe genug Zeit. Portugal flasht mich bisher nicht so sehr wie Spanien und ist weiter weg. Das Mautsystem ist ein einziges Ärgernis. Ich hatte ein paar echt schöne Strecken und viele dröge, aber vielleicht liegen auch einfach die geplanten Punkte der Route bisher zu weit auseinander. Die werden die nächsten Tage noch enger, insbesondere im Norden. Mir ist ehrlich gesagt im Moment ein wenig fad, aber es kommen sicher auch bald bessere Tage. Das liegt bestimmt auch am trüben Wetter. Und für die Kilometer nach Hause gibt es ja noch einen romantischen Grund ♥
Sa 12.3.22 Serra da Estrela

Die Nacht war erholsam. Das Hotelfrühstück war etwas mau, aber für den Preis okay. Das Regenradar verheißt leider nichts Gutes, also ziehe von Anfang an die Regensachen drüber. Kaum in den Bergen, geht's auch schon los mit mal mehr, mal weniger Regen. Immerhin habe ich die Straßen zunächst fast für mich alleine. Und die Schilder sind gut zu erkennen.

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Schon am dritten Passknacker wird's aber kompliziert: Der liegt laut Navi 400 Meter neben der Straße, an einer Stelle, wo die Straße unscheinbar ist. Das kann ja nicht stimmen.

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Handy raus, OSMand checken: Da gibt's ja wohl eine Straße! Also dort behutsam hoch getastet zu "Senhora das Necessidades / Monte Colcurinho".

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Dann geht's endgültig rein in die Serra da Estrela, dem höchsten Gebirge Portugals (auf dem Festland). Es ist Samstag und ich sehe zwar den ganzen Tag keine anderen Motorräder, aber einige Autofahrer sind zum Spaß hier - das Gebirge ist als Ausflugsziel beliebt. Leider habe ich meistens wenig Sicht, und die Regensachen versagen in erstaunlichem Tempo. Die Nässe kriecht überall rein. Und ich meine ÜBERALL. Sogar zwischen Visier und Pinlockvisier steht eine Pfütze. Die gehört da nicht hin! Kurzer Lichtblick:

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Der höchste Punkt ist 1993 Meter hoch. Es wird richtig kalt, 3 Grad. Leider ist die Straße heute gesperrt. Schranke zu, Polizei steht dabei. Nachfrage mit Hand und Fuß führt zum Ergebnis: Heute und morgen gesperrt.

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Da mir und auf dem Weg dorthin und zurück viele Einsatzfahrzeuge entgegenkommen, vielleicht ein Unfall? Schnee liegt nur neben der Straße, die Straße ist erkennbar gut geräumt, Räumfahrzeuge stehen am nächsten Parkplatz. Hmmm. Da bin ich wohl mal wieder auf die Gnade der Passknackeradmins angewiesen. Wintersperre ist normalerweise persönliches Pech, komm später wieder (oder nächstes Jahr). Sperrung wegen Unfall, Lawine kann man freigeschaltet bekommen.

Ich fasse meine Lage mal zusammen: Eiskalt, Hose voll, Landespreis in Gefahr. Der Bergsee hier tröstet mich auch wenig:

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Da hilft nur weiterfahren ins nächste Tal. Hier bin ich im Windschatten der Berge und habe mal 20 Minuten ohne Regen. Zeit für eine längere Pause. Die Chips von gestern müssen noch gegessen werden.

Im weiteren Verlauf der Route geht es 80 km nach Westen, über so eine elektronische Zauber-Maut-Autobahn. Wenn ich mich nicht verzählt habe, ist heute der dritte Tag meines 3-Tages-Tickets, also fahre ich sorgenfrei dort entlang. Und werde echt arg müde dabei. Zeit für noch eine Pause. Leider gibt es keine Parkplätze oder Rastplätze an diesen Autobahnen, also vertrete ich mir halt an einer Tankstelle zwischen Häuschen und Zapfsäule 15 Minuten die Beine, womit ich das Personal erkennbar irritiere. Mein Ziel so weit westlich ist Portela da Guardao, ein Pass von Rang für Radsportler. Leider hat mein Navi mehrere kreative Ideen, um Wege zu finden, die dort nicht hinführen, sondern auf den nächsten matschigen Waldweg.

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Inzwischen prasselt auch der Regen richtig runter und meine Laune ist auf dem Tiefpunkt. Ich buche mir ein Hotel in der Nähe, 26 km in die richtige Richtung, und komme 15:50 in Oliveira de Frades an. Leider ist beim Hotel niemand da, ich muss jemanden herbeitelefonieren. SEUFZ. Genau dafür suche ich doch gezielt Hotels und nicht Ferienwohnungen, Bnb oder sowas, damit ich eben niemanden herbeitelefonieren, hoffen dass es klappt und so lange draußen warten muss.

Immerhin, ich stehe unter einem schmalen, aber wirksamen Vordach, ich war kurz vorher schon für kleine Passknacker, die Mitarbeiterin ist 5 Minuten später am Ort, ich kann trocken parken, das Zimmer ist groß, und sie organisiert mir auch gleich Abendessen: Burger "mit alles", Pommes, Cola, 7,30 Euro, direkt aufs Zimmer. Super Service. Ich breite derweil meine nassen Klamotten im Bad aus. Heute ist auch das zweite Paar Handschuhe abgesoffen, noch bevor das erste Paar wieder richtig trocken ist. Schönen Gruß an die Firma Held. Und die Stiefel waren heute so undicht, dass sogar die wasserdichten Socken Wasser durchgelassen haben auf die drunter liegenden Merino-Kniestrümpfe. Alles bäh. Heizung auf Vollgas, ab in die Badewanne, danach ab unter die Bettdecke und für morgen auf besseres Wetter hoffen... und auf gnädige Admins. Ansonsten habe ich später in der Reise 200 km / 3h Umweg, um nochmal her zum Estrela (Torre) zu fahren...

Ich bin inzwischen fast einen ganzen Tag hinter meiner Planung, ich kriege in Portugal nicht die Tageskilometer hin, die ich aus Spanien gewohnt bin. Einerseits fahre ich kürzer, andererseits ist es dichter besiedelt, und ich gehe ja in (Hotel-)Restaurants essen. Den Landespreis gefährdet es nicht, allenfalls das eine oder andere Leckerli am Rückweg. Dafür habe ich ja mit Puffer geplant. Im schlimmsten Fall, wenn ich 10 statt 7 Tage für die Portugal Rundreise brauche, besteht mein Rückweg wie der Hinweg aus 3 Tagen stur Autobahn. Für den Landespreis brauche ich noch 1131 km, ggfs. +200 km für den Estrela (Torre).

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(hoffentlich) 9 Passknacker und 345 km heute
Rangliste Platz 9 von 94
2178 km nach Hause, 357 km hinter Plan
47,9% von Portugal (34 von 71, hoffentlich)